Dass in einer einzigen immunsupprimierten Person besorgniserregende Varianten des Corona-Virus entstehen können, haben Wissenschaftlerinnen in einer deutsch-österreichischen Kooperation am Beispiel einer Krebspatientin gezeigt.

 

Schon länger ist bekannt, dass sich das Virus bei Immungeschwächten besonders gut vermehren und neue Varianten entwickeln kann. Diskutiert wird, ob die Entstehung von Omikron möglicherweise auf die hohe Zahl an immundefizienten HIV-Infizierten in Südafrika zurückzuführen sei. Die beiden Forscherinnen Sissy Sonnleitner (Innsbruck) und Martina Prelog (Würzburg) haben mit ihren Teams nun gezeigt, dass Personen, bei denen das Immunsystem mittels Medikamente heruntergefahren werden musste, als potenziell neue Quelle für Virusvarianten in Frage kommen (https://doi.org/10.1038/s41467-022-30163-4). Die Forscherinnen haben während des gesamten Infektionsverlaufs mit SARSCoV-2 bei einer an chronischer lymphatischer Leukämie erkrankten Patientin insgesamt 17 nicht-synonyme Mutationen gefunden, von denen 15 bereits bekannte

Mutationen sind, die eine Immunantwort umgehen. D. h., 88,2 % sind prominente Immunflucht-Mutationen, die als neue besorgniserregende Varianten (VOC für variants of concern) oder Varianten von Interesse (VOI) eingestuft wurden. 55,8 % der Mutationen stimmen mit Omikron überein. Besonders prominent sind die Mutationen auf dem Spike-Protein. Mit diesen Veränderungen kann das Virus weniger effizient

von Antikörpern neutralisiert werden und so leichter in menschliche Zellen eindringen. „Das durch Chemotherapien unterdrückte Immunsystem hat dem Virus Tür und Tor geöffnet, um neue Varianten zu entwickeln und so seine Fitness zu steigern“, so eine der Wissenschaftlerinnen. „Nun gilt es die Mutationen zu definieren und herauszufinden, welchen Trick das Virus verfolgt, um fit zu bleiben.“